1. Die Einrichtung, die man bei den Gebetsversammlungen Israels die Tora vorliest, ist so alt, wie die Tora selbst; denn Moses, unser großer Lehrer, hat nach der Überlieferung dieses Vorlesen für die Vormittage der Sabbate, Feste, Neumonde und je der zweiten und fünften Wochentage angeordnet. Von Esra wurde diese Anordnung auf die Nachmittage des Sabbats ausgedehnt und so eingerichtet, wie sie heutzutage vorgenommen wird.
2. An folgenden Tagen wird aus der Tora vorgelesen: An allen Sabbat‑, Fest‑, Halbfest‑, Neumonds‑ und Fasttagen, an Chanukka und Purim, am Montag und Donnerstag je beim Morgengottesdienst an den Sabbaten und Fasttagen auch beim Nachmittagsgottesdienst.
3. Der bei der Vorlesung zu lesende Abschnitt wird in Abschnitten (Perischiot) gebracht und zu jeder Abteiling dann ein Anwesender aufgerufen, vor die Tora hinzutreten. Dort angekommen, spricht er zuerst Barachu und die Bracha, dann liest ihm der Vorbeter seine Abteilung laut vor, er aber liest leise jedes Wort aus der Tora heraus nach; darauf spricht er, nachdem der Vorbeter geschlossen, zum Schluß wieder eine Bracha.
4. Am Sabbatmorgen werden sieben, am Versöhnungstagsmorgen sechs, an den Festtagen fünf, an den Halbfest‑ und Neumondstagen vier, bei jeder anderen Vorlesung drei Personen aufgerufen.
5. An den Sabbat‑ und Festtagsmorgen wird außerdem noch ein Mann aufgerufen, der dann, nachdem ihm aus der Tora vorgelesen worden, einen zum Sabbatabschnitt oder zum Festtag passenden Abschnitt aus den Propheten vorliest (Maftier, Haftera). Ein solcher Prophetenabschnitt wird auch am neunten Aw morgens, sowie an allen Fasttagen bei Nachmittagsgottesdinest vom dritten Aufgerufenen vorgelesen. Vor dem Prophetenabschnitt wird eine Eingangsbenediktion, nach demselben werden mehrere Schlußbenediktionen gebetet.
6. Bei den Vorlesungen am Sabbatmorgen wird im Laufe des Jahres die ganze Tora vorgelesen. Zu diesem Zwecke ist die Tora in 54 Abschnitte (Sedorot) geteilt, von denen an den meisten Sabbaten einer, an manchen Sabbatet aber zwei vorgelesen werden; je nach der Form des jüdischen Jahres kann es kommen, dass die Tora in 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, oder in 54 Abschnitten vorgelesen wierd. Immer wird am Sabbat nach dem Hüttenfest (Schabbat Bereschit) von vorn angefangen und am letzten Tage dieses Festes der letzte Abschnitt gelesen. In den Synagogen und in den Familien feiert man es als freudiges Ereignis, dass man es erlebt hat, die Tora wiederum durchzulesen; darum heißt dieser Tag Simchat Tora, Torafreude. Am Sabbatnachmittag, Montag und Donnerstag beim Morgengebet wird die erste Perischa der Sidra des nächsten Sabbats, bei allen übrigen Toravorlesungen werden auf den Tag passende und von unseren Weisen s.A. festgestellte Tora‑Abschnitte gelesen.
7. Zur Vorlesung in öffentlicher Gebetsversammlung darf nur eine vorschriftsmäßig auf eine Pergamentrolle geschriebene Tora‑Abschrift verwendet werden. Beim Herausnehmen der Torarolle aus der heiligen Lade muß jeder sich erheben, um auf die Aufforderung des Vorbeters Gottes Größe mit zu preisen und stehend zu verharren, bis die Tora niedergelegt ist. Beim Vorlesen der Tora und des Prophetenabschnitts hat jeder aufmerksam zuzuhören, und man darf nichts sprechen, selbst nicht über Tora‑Angelegenheiten. Auch ist es verboten, die Synagoge zu verlassen, währen die Tora offen ist, nur im Notfal ist es zwischen dem einen und dem anderen Aufgerufenen gestattet. Nach dem Vorlesen wird die offene Tora hoch emporgehoben und der Versammlung gezeigt, die Siegesfahne Israels, das Heilspanier der Menschheit; dabei hat jeder sich zu erheben, und beim Anblick der Schriftseite das zu sprechen. Beim Zurückbringen fällt die Gemeinde stehend auf das des Vorbeters mit ein und verharrt stehend, bis die Tora in der heiligen Lade aufbewahrt ist.
8. Um die sabbatliche Toravorlesung recht fruchtbar für die Torakenntnis zu machen, haben unsere Weisen s.A. angeordnet, dass jeder den wöchentlichen Abschnitt zweimal im Urtext mit einer ihm verständlichen, der mündlichen Überlieferung entsprechenden Erklärung zu Hause lese. Dieses sollte am Nachmittag des vorangehenden Freitags oder am Vormittag des Sabbats geschechen, doch darf man das auch im Laufe der vorangehenden Woche tun.
Wer sein Ohr abwendet vom Anhören der Tora, dessen Gebet ist auch ein Greuel. Spr. 28,9.