Gelegenheitsgebete

Das Gebot, zu beten, beschränkt sich nicht bloß auf diese Zeiten; jede Gelegenheit, die uns Gottes Größe und Güte, göttli­che Segens‑ und Heilspende von neuem zum Bewusstsein bringt, verpflichtet uns zum Gebete, und zwar zur Segnung Gottes, zur Bracha.

Für zwei solcher Veranlassungen ist in der schriftlichen Tora  das Beten vorgeschrieben, nämlich vor dem Gesetzesstudium, für die größte geistige Wohltat, die uns Gott erwiesen und nach dem Genusse des unentbehrlichsten Nahrungsmittels, des Brotes, für die größte leibliche Wohltat, die wir Gott zu verdan­ken haben. (Brachot Ha‑Mozi).

Wer Brot von der Größe einer Olive (= ein halbes Hühnerei), aus Weizen, Spelt, Roggen, Gerste oder Hafer mit Wasser geknetet und einfach gebacken, gegessen hat, ist ver­pflichtet, dieses Gebet zu sprechen. Um diesem Gebote entsprechen zu können, genießen wir vor unseren Mahlzeiten derartiges Brot, nachdem wir vorher die Hände vorschriftsmäßig gewaschen und die Benediktion HaMozi gesprochen haben. Über die Vorschrift des Händewaschens vor dem Brotgenuss siehe.

Haben drei, mindestens 13 Jahre alte männliche Personen zusam­men gespeist, so sind sie verpflichtet, das Tischgebet gemein­schaftlich zu beten; die Formel für drei, sowie die verän­derte für zehn Tischgenossen, findet sich im Gebetbuche.

Nach den Anordnungen unserer Weisen s.A. haben wir aber noch bei vielen anderen Gelegenheiten Gebete (Brachot) zu sprechen. Diese Gebete sind alle kurz, erfordern keinen Zeitaufwand, geben uns aber vielmals des Tages (Mea Brachot), von unserem Erwachen beim ersten Hahnenruf, bis wir im Schlaf das Auge schließen, Anlass, Gottes Lob und Preis als Gott und König des Weltalls (Schem we Malcut) segnend zu verkünden.

Solche Brachot, deren Wortlaut nebst den für sie geltenden Einzelvorschriften sich im Gebetbuche finden, haben wir im allge­meinen bei folgenden Veranlassungen zu sprechen:

Bei denjenigen körperlichen Vorgängen und Verrichtungen die uns hauptsächlich an die Endlichkeit unserer leiblichen Natur erinnern und uns jeden Augenblick unseres Lebens und unserer Gesundheit als Gnadengeschenk Gottes erscheinen lassen, nämlich beim Einschlafen, beim Erwachen und den damit zusammenhängenden Wahrnehmungen, Empfindungen und Tätigkeiten, und bei dem Leben und Gesundheit bedingenden leiblichen Verrichtungen.

Vor und nach dem Genusse von Speisen und Getränken, sowie vor dem Genusse von Wohlgerüchen (Brachot haNichonim; hierüber ist folgendes insbesondere zu beachten:

Es ist verboten, irgendetwas ohne vorgängige Bracha zu genießen. Da nun die Brachot sowohl vor als auch nach dem Genusse für verschiedene Gegenstände verschieden sind, so ist jeder Israeliten verpflichtet, sich die Brachot und die darüber geltenden Vor­schriften genau einzuprägen und den Genuss und Geruch von Gegen­ständen zu meiden, deren Bracha er nicht kennt.

Vor dem Genusse von Speisen und Getränken verpflichtet das klein­ste Maß des zu genießenden Gegenstandes zur Bracha, nach dem Genusse jedoch bei Speisen die Olivengröße, und bei Getränken der Rauminhalt von drei Olivengrößen.

Beim Wahrnehmen erschütternder Vorgänge, aussehrgewöhnlicher Erscheinungen, sehenswürdiger und auffallender Gegenstände und Gebilde der Natur, beim Anblick hervorragender Menschen, beim Besuch von Orten, an welchen sich an uns oder unseren Eltern und Vorfahren Gottes Hilfe besonders wunderbar erwiesen hat. Doch sind alle derartigen Brachot, außer bei den sich unserer Wahrneh­mung unwillkürlich aufdrängenden Wettererscheinungen nur je von 30 zu 30 Tagen zu sprechen. 

Bei betrübenden und freudigen Ereignissen in unserem Leben, bei jährlich oder noch seltener wiederkehrenden erfreulichen Erscheinungen, bei dem Erwerb oder der Anschaffung uns Vergnügen bereitender Gegenstände.

Unmittelbar vor der Ausübung derjenigen Gebote der Tora oder der Weisen s.A. (Mizwot (), für welche diese eine Bracha an­geordnet haben. (Brachot HaMizwot).

Für einzelne gefahrvolle Lagen sind ebenfalls Gebete angeord­net, z.B. auf der Reise Tefilat haDerech, bei ärztlichen Kuren und Operationen. Wir sollen jedoch, so oft Sorgen und Kummer uns drücken, unsere Not Gott klagen und seine Hilfe erflehen. Das dürfen wir mit unseren eigenen Worten tun, wenn sich keine pas­senden Gebete vorfinden. Auch finden wir in den Psalmen  (Tehilim) Gebetsworte, die fast auf jede Lebenslage passen; wer sich mit den Psalmen bekannt macht, dem wird es nie an Gebetsworten fehlen.

Segnen will Gott zu jeder Zeit, beständig sei sein Lob in meinem Munde. Ps. 34,2

Wenn du gegessen und dich gesättigt hast, so segne Gott, deinen Gott, für das gute Land, das er dir gegeben hat. 5.Mos. 8,10.

Rufe mich an am Tage der Not, ich werde dich retten und du wirst mich verehren. Ps. 50,15.

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