Die schriftliche und die mündliche Tora

1. Da das Volk nach der Offenbarung der zehn Worte aus Furcht vor den großartigen Erscheinungen gebeten hatte, Moses möge ihnen den noch nicht geoffenbarten Teil der Tora nach Gottes Befehl mitteilen, berief Gott Moses auf den Berg und  teilte ihm während der vierzig Tage seines Verweilens die ganze Tora mit, den geschriebenen Wortlaut Tora schebichtaw und dessen mündliche Erklärung Tora schebeal pe.

2. Moses teilte die ihm geoffenbarte Tora dem Volke, während der vierzigjährigen Wüstenwanderung allmählich, manches bei passenden Veranlassungen, zunächst mündlich mit, alles bis ins Einzelne erklärend. Erst am Ende seines Lebens vollendete er die geschrie­bene Tora, die fünf Bücher Moses (  ) und übergab sie Israel; und wir sind verpflichtet, jeden Buchstaben, jedes Wort der schrift­lichen Tora als von Gott geoffenbart zu betrachten, und dürfen den Gedanken, Moses habe nach eigenem Gutdünken irgend etwas beigefügt oder weggelassen, in uns nicht aufkommen lassen. Die mündliche Erklärung aber, ohne welche die geschriebene Tora ganz unverständlich ist, durfte nicht niedergeschrieben werden; (Hirsch, Pent. II. 21, 1 und V. 31,32.)

3. Die Gründe für das ursprüngliche Verbot, die geoffenbarte mündliche Erklärung der Tora niederzuschreiben, sind mannigfach; folgende zwei sind besonders zu beachten:

a. Da die ewig unveränderliche Tora für alle Zeiten und Länder gegeben ist und auf alle Lebensverhältnisse sich bezieht, so würde sie, wenn alles hierzu Erforderliche geschrieben werden sollte, sehr umfangreich geworden sein und vieles enthalten haben, was für die damaligen Zeit‑, Landes‑ und Lebensverhältnis­se nicht nur entbehrlich, sondern auch zu manchen Zeiten und in manchen Ländern unverständlich  gewesen wäre. Die mündliche Lehre macht es aber möglich, das geschriebene Torawort auf alle diese Verhältnisse anzuwenden, so dass Israel auf seiner langen Wande­rung durch alle Zeiten und Länder sein Leben nach der Tora einrichten kann, ohne dass in ihr etwas veraltet oder zu ihr etwas hinzuzukommen braucht. (Pleßner, Religionsunterricht § 150.)

b. Israel sollte die Tora nicht nur hinnehmen, es soll sich um sie bemühen, sie täglich neu erwerben, sie soll die erhabenste Beschäftigung seines Geistes, sein Lebensodem sein. Dieser Zweck

wäre durch ein Buch, dessen ganzer Inhalt in seinem einfachen Wortlaute liegt, nicht zu erreichen gewesen. Nach der weisen Einrichtung Gottes, der die eine unzertrennlich, einheitliche Tora uns teils schriftlich, teils mündlich übergeben, war Israel veranlasst, nicht nur die mündliche Tora fortwährend seinem Ge­dächtnisse einzuprägen, sondern auch die mündliche Auslegung im geschriebenen Wortlaute der Tora aufzusuchen. Tun wir das an Hand der uns dazu übergebenen dreizehn Regeln    (       )   so erkennen wir erst recht die tiefe, wahrhaft göttliche Weisheit der Tora, in welcher jedes Pünktchen, jeder Buchstabe, jedes Wort, jede Satz‑ und Wortstellung eine wichtige Bedeutung hat, und anerkennen, wie uns geboten ist, bereitwillig: dass die mündliche und die schriftliche Tora von Ewigkeit her eine unzertrennliche Einheit bilden, göttlichen Ursprungs, und zusammen diejenige Tora sind, die Moses am Sinai geoffenbart worden ist.

4. Die mündliche Tora wurde denn auch mündlich von Geschlecht zu Geschlecht fortüberliefert (Tradition). Als sich aber nach der Zerstörung des zweiten Tempels die Leiden Israels häuften und Israel immer mehr von dem heiligen Boden seines Erblandes verdrängt und in die Zerstreuung hinausgetrieben wurde, da fürchtete man, die mündliche Lehre möchte namentlich von den Zerstreuten vergessen werden. Da entschloss sich der damalige Patriarch R. Jehuda Hanassi (auch Rabinu hakadosch, der Heilige, oder einfach Rabbi, der Lehrer genannt) notgedrungen, die mündliche Lehre in einem Gesetzbuch zusammenzustellen und etwas 120 Jahre nach der Tempelzerstörung niederzuschreiben. Diese Schrift führt den Namen Mischna.

5. Da die Mischna sehr tief und kurz abgefaßt ist und namentlich ihre Begründung noch dem Mündlichen überläst, so wurde später bei weiterer Vermehrung der Leiden und der Zerstreuung Israels auch ein Niederschreiben der Erklärung und Begründung der Mischna nötig. Man nennt diese Begründung Gemara, von der wir zwei Nie­derschreibungen besitzen. Die eine wurde in Palästina verfasst und heißt Gemara Jeruschalmi oder Talmud Jeruschalmi; die andere aber von dem Oberhaupt der Schule zu Sura am Euphrat in Babylonien, Rab Aschi, begonnen und, nachdem dieser sechzig Jahre daran gearbeitet hatte, von seinen Schülern und Amtsnachfolgern, unter welchen besonders sein Sohn Mar zu nennen ist, während weiterer dreiundsiebzig Jahre fortgesetzt und endlich von dem letzten Amora, Rab Awina = Rabina, etwas mehr als 300 Jahre nach Abschluss der Mischna vollendet. Diese Schrift führt den Namen Gemara Bablit oder Talmud Babli. Diese beiden Schriftwerke mit der Mischna und einigen anderen ihnen zugrunde liegenden Sammlungen der mündlichen Lehre (Bereita, Tosefta, Mechilta, Sifra, Sefri) werden gemeinhin Talmud genannt und enthalten die einzig richti­ge, am Sinai geoffenbarte Auslegung der Tora. Wir sind verpflichtet, sie als solche anzuerkennen und die Toravorschriften nur in der Weise zu erfüllen, wie uns darin gelehrt wird. (11, 1c)

6. Der Talmud enthält übrigens nicht bloß die mit der schriftli­chen Tora vollkommen gleichstehende mündliche Auslegung derselben  (   )   sondern auch noch andere sehr wichtige Bestandteile. Die Träger der Überlieferung, die Häupter der jüdischen Nation, welche den obersten Gerichtshof Bet Din Hagadol bildeten, hatten nämlich das Recht und die Pflicht, Gebote und Anordnungen zu erlassen (Minhagim, Tiknot Mizwot () sowie auch Verbote (Gesirot Gedirot we Sigim) zur Umzäunung der Tora, d.h. zur Fürsorge, dass Gebote der schriftlichen Tora nicht leicht übertreten werden. Auch diese Gebote und Verbote sind im Talmud enthalten, werden aber nicht als göttliche Gebote (min HaTora) ausgegeben, sondern als das, was sie sind, rabbinische Vorschriften ( ). Der bisher erwähnte Inhalt des Talmuds führt den Namen Halacha ( ) und bezieht sich ausschließlich auf die Vorschriften der Tora.

7. Der Talmud enthält auch die Agada; das sind tiefe Auslegungen der heiligen Schriften, die sich nicht auf die Gesetze beziehen, sowie kernige Weisheitssprüche, geschichtliche Mitteilungen, sinnige Gleichnisse u.dgl. Derartiger Stoff findet sich außer dem Talmud noch in besonderen Sammlungen, die den Namen Midraschin führen.

8. Die Gesetzesüberlieferer nach den Propheten bis zur Abfassung der Mischna heißen Tanaim, Einz. Tana, von da an bis zum Abschluss des Talmuds Amoraium, Ein. Amora, allgemein auch „unsere Lehrer“ oder „unsere Weisen seligen Andenkens.

Gott sprach zu Moses: Steige zu mir auf den Berg und verweile dort; ich werde dir dort geben die steinernen Tafeln und die Lehren und das Gesetz, das ich geschrieben habe, um sie (danach mündlich) zu lehren. 2.Mos. 24,12.

Moses erhielt die Tora am Sinai, überlieferte sie an Josua, Josua an die Ältesten, die Ältesten an die Propheten, die Propheten an die Männer der großen Synagoge. Abot 1,1.

Die schriftliche und die mündliche Tora

1. Da das Volk nach der Offenbarung der zehn Worte aus Furcht vor den großartigen Erscheinungen gebeten hatte, Moses möge ihnen den noch nicht geoffenbarten Teil der Tora nach Gottes Befehl mitteilen, berief Gott Moses auf den Berg und  teilte ihm während der vierzig Tage seines Verweilens die ganze Tora mit, den geschriebenen Wortlaut Tora schebichtaw und dessen mündliche Erklärung Tora schebeal pe.

2. Moses teilte die ihm geoffenbarte Tora dem Volke, während der vierzigjährigen Wüstenwanderung allmählich, manches bei passenden Veranlassungen, zunächst mündlich mit, alles bis ins Einzelne erklärend. Erst am Ende seines Lebens vollendete er die geschrie­bene Tora, die fünf Bücher Moses (  ) und übergab sie Israel; und wir sind verpflichtet, jeden Buchstaben, jedes Wort der schrift­lichen Tora als von Gott geoffenbart zu betrachten, und dürfen den Gedanken, Moses habe nach eigenem Gutdünken irgend etwas beigefügt oder weggelassen, in uns nicht aufkommen lassen. Die mündliche Erklärung aber, ohne welche die geschriebene Tora ganz unverständlich ist, durfte nicht niedergeschrieben werden; (Hirsch, Pent. II. 21, 1 und V. 31,32.)

3. Die Gründe für das ursprüngliche Verbot, die geoffenbarte mündliche Erklärung der Tora niederzuschreiben, sind mannigfach; folgende zwei sind besonders zu beachten:

a. Da die ewig unveränderliche Tora für alle Zeiten und Länder gegeben ist und auf alle Lebensverhältnisse sich bezieht, so würde sie, wenn alles hierzu Erforderliche geschrieben werden sollte, sehr umfangreich geworden sein und vieles enthalten haben, was für die damaligen Zeit‑, Landes‑ und Lebensverhältnis­se nicht nur entbehrlich, sondern auch zu manchen Zeiten und in manchen Ländern unverständlich  gewesen wäre. Die mündliche Lehre macht es aber möglich, das geschriebene Torawort auf alle diese Verhältnisse anzuwenden, so dass Israel auf seiner langen Wande­rung durch alle Zeiten und Länder sein Leben nach der Tora einrichten kann, ohne dass in ihr etwas veraltet oder zu ihr etwas hinzuzukommen braucht. (Pleßner, Religionsunterricht § 150.)

b. Israel sollte die Tora nicht nur hinnehmen, es soll sich um sie bemühen, sie täglich neu erwerben, sie soll die erhabenste Beschäftigung seines Geistes, sein Lebensodem sein. Dieser Zweck wäre durch ein Buch, dessen ganzer Inhalt in seinem einfachen Wortlaute liegt, nicht zu erreichen gewesen. Nach der weisen Einrichtung Gottes, der die eine unzertrennlich, einheitliche Tora uns teils schriftlich, teils mündlich übergeben, war Israel veranlasst, nicht nur die mündliche Tora fortwährend seinem Ge­dächtnisse einzuprägen, sondern auch die mündliche Auslegung im geschriebenen Wortlaute der Tora aufzusuchen. Tun wir das an Hand der uns dazu übergebenen dreizehn Regeln    (       )   so erkennen wir erst recht die tiefe, wahrhaft göttliche Weisheit der Tora, in welcher jedes Pünktchen, jeder Buchstabe, jedes Wort, jede Satz‑ und Wortstellung eine wichtige Bedeutung hat, und anerkennen, wie uns geboten ist, bereitwillig: dass die mündliche und die schriftliche Tora von Ewigkeit her eine unzertrennliche Einheit bilden, göttlichen Ursprungs, und zusammen diejenige Tora sind, die Moses am Sinai geoffenbart worden ist.

4. Die mündliche Tora wurde denn auch mündlich von Geschlecht zu Geschlecht fortüberliefert (Tradition). Als sich aber nach der Zerstörung des zweiten Tempels die Leiden Israels häuften und Israel immer mehr von dem heiligen Boden seines Erblandes verdrängt und in die Zerstreuung hinausgetrieben wurde, da fürchtete man, die mündliche Lehre möchte namentlich von den Zerstreuten vergessen werden. Da entschloss sich der damalige Patriarch R. Jehuda Hanassi (auch Rabinu hakadosch, der Heilige, oder einfach Rabbi, der Lehrer genannt) notgedrungen, die mündliche Lehre in einem Gesetzbuch zusammenzustellen und etwas 120 Jahre nach der Tempelzerstörung niederzuschreiben. Diese Schrift führt den Namen Mischna.

5. Da die Mischna sehr tief und kurz abgefaßt ist und namentlich ihre Begründung noch dem Mündlichen überläst, so wurde später bei weiterer Vermehrung der Leiden und der Zerstreuung Israels auch ein Niederschreiben der Erklärung und Begründung der Mischna nötig. Man nennt diese Begründung Gemara, von der wir zwei Nie­derschreibungen besitzen. Die eine wurde in Palästina verfasst und heißt Gemara Jeruschalmi oder Talmud Jeruschalmi; die andere aber von dem Oberhaupt der Schule zu Sura am Euphrat in Babylonien, Rab Aschi, begonnen und, nachdem dieser sechzig Jahre daran gearbeitet hatte, von seinen Schülern und Amtsnachfolgern, unter welchen besonders sein Sohn Mar zu nennen ist, während weiterer dreiundsiebzig Jahre fortgesetzt und endlich von dem letzten Amora, Rab Awina = Rabina, etwas mehr als 300 Jahre nach Abschluss der Mischna vollendet. Diese Schrift führt den Namen Gemara Bablit oder Talmud Babli. Diese beiden Schriftwerke mit der Mischna und einigen anderen ihnen zugrunde liegenden Sammlungen der mündlichen Lehre (Bereita, Tosefta, Mechilta, Sifra, Sefri) werden gemeinhin Talmud genannt und enthalten die einzig richti­ge, am Sinai geoffenbarte Auslegung der Tora. Wir sind verpflichtet, sie als solche anzuerkennen und die Toravorschriften nur in der Weise zu erfüllen, wie uns darin gelehrt wird. (11, 1c)

6. Der Talmud enthält übrigens nicht bloß die mit der schriftli­chen Tora vollkommen gleichstehende mündliche Auslegung derselben  (   )   sondern auch noch andere sehr wichtige Bestandteile. Die Träger der Überlieferung, die Häupter der jüdischen Nation, welche den obersten Gerichtshof Bet Din Hagadol bildeten, hatten nämlich das Recht und die Pflicht, Gebote und Anordnungen zu erlassen (Minhagim, Tiknot Mizwot () sowie auch Verbote (Gesirot Gedirot we Sigim) zur Umzäunung der Tora, d.h. zur Fürsorge, dass Gebote der schriftlichen Tora nicht leicht übertreten werden. Auch diese Gebote und Verbote sind im Talmud enthalten, werden aber nicht als göttliche Gebote (min HaTora) ausgegeben, sondern als das, was sie sind, rabbinische Vorschriften ( ). Der bisher erwähnte Inhalt des Talmuds führt den Namen Halacha ( ) und bezieht sich ausschließlich auf die Vorschriften der Tora.

7. Der Talmud enthält auch die Agada; das sind tiefe Auslegungen der heiligen Schriften, die sich nicht auf die Gesetze beziehen, sowie kernige Weisheitssprüche, geschichtliche Mitteilungen, sinnige Gleichnisse u.dgl. Derartiger Stoff findet sich außer dem Talmud noch in besonderen Sammlungen, die den Namen Midraschin führen.

8. Die Gesetzesüberlieferer nach den Propheten bis zur Abfassung der Mischna heißen Tanaim, Einz. Tana, von da an bis zum Abschluss des Talmuds Amoraium, Ein. Amora, allgemein auch „unsere Lehrer“ oder „unsere Weisen seligen Andenkens.

Gott sprach zu Moses: Steige zu mir auf den Berg und verweile dort; ich werde dir dort geben die steinernen Tafeln und die Lehren und das Gesetz, das ich geschrieben habe, um sie (danach mündlich) zu lehren. 2.Mos. 24,12.

Moses erhielt die Tora am Sinai, überlieferte sie an Josua, Josua an die Ältesten, die Ältesten an die Propheten, die Propheten an die Männer der großen Synagoge. Abot 1,1.

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