1. „Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ „Gott ist der Gott Israels.“ Diese Ausdrücke finden wir oft in den heiligen Büchern, und wir gebrauchen sie in unseren feierlichsten Gebeten. Wir dürfen diese Worte nicht missverstehen und müssen suchen, ihren tiefen Inhalt uns zum Bewusstsein zu bringen; denn in ihnen liegt ein sehr erhabener Ausdruck der Anerkennung Gottes.
Diese Worte wollen nicht sagen, dass Gott nicht alle Menschen als seine Geschöpfe, wie ein Vater seine Kinder, liebt und durch seine weise Vorsehung ihr Schicksal lenkt, ihr Heil fördert. Nein, diese Bedeutung haben diese Worte nicht. Dagegen sagen sie uns folgendes:
a. Gott, der Schöpfer des Weltalls und sein Regierter, ist der Gott, den unsere Stammväter zuerst anerkannten, den Israel anerkennt und verehrt. Da ihn bis heute noch nicht alle Menschen anerkennen, so sagen wir in diesen Worten: Unsere Väter haben ihn anerkannt, er ist ihr Gott, wir anerkennen ihn, er ist unser Gott, kein anderer.
b. Gott, der Schöpfer des Weltalls und sein Regierter, hat mit unseren Stammvätern und mit Israel am Sinai einen Bund geschlossen, in welchem Israel gelobt hat, dem ihm geoffenbarten Willen Gottes, der Tora, sich ganz und immer hinzugeben, während Gott verheißen hat, um der Tora willen uns in seinen besonderen Schutz zu nehmen, uns nie zu verlassen. Darum sprechen wir in diesen Worten aus: Unsere Väter waren Gottes Diener, wir sind Gottes Diener, Gott war darum ihnen und ist uns besonders Beschützer Er war ihr und ist unser Gott.
Warum und wie dieses Verhältnis zwischen Gott und Israel entstanden ist, ist in der Tora ausführlich erzählt, im Folgenden kurz angedeutet.
2. Die Menschen entfernten sich immer mehr von Gott, so dass das zehnte Geschlecht nach Adam von der Flut vertilgt wurde, außer dem einzigen Frommen, Noach, mit seiner Familie. Ihm offenbarte sich Gott von neuem, erteilte ihm die Adam schon befohlenen Gesetze und schloss mit ihm einen Bund für die ganze künftige Menschheit. Aber auch die Nachkommen Noachs fielen von Gott ab. Der Turmbau war nach der Überlieferung unserer Weisen s.A. eine Auflehnung gegen Gott. Je mehr sich die Menschen in der Folge des Turmbaues über die Erde ausbreiteten, desto mehr entfernten sie sich von Gott und verfielen in Götzendienst und die mit diesem verbundene Lasterhaftigkeit.
3. Da erbarmte sich Gott der Menschheit und beschloß in seiner unendlichen Liebe und Weisheit, eine Veranstaltung zu treffen, durch welche die Menschheit allmählich zur Anerkennung und Verehrung Gottes und zu einem Leben nach seinem Willen erzogen werden sollte. Dazu ersah sich Gott Abraham, einen Nachkommen Noachs im zehnten Gliede, aus dem Geschlechte Schems; denn Abraham hatte die alte Offenbarung bewahrt und durch eigenes Nachdenken den Glauben an Gott in sich befestigt. Darum erkannte Gott in ihm den geeigneten Mann, mit dem die Erleuchtung der Menschheit beginnen, durch den alle Geschlechter der Erde zu dem Segen der Anerkennung Gottes gelangen sollten. Gott offenbarte sich ihm wiederholt, schloss mit ihm einen Bund für seine Nachkommen auf ewige Zeiten, befahl ihm die Beschneidung als Zeichen der Bundesangehörigkeit und verhieß ihm dagegen für seine Nachkommen besonderen Schutz und ein vortreffliches Land, wo seine Nachkommen der Menschheit das Bild des verlorenen Edens vorhalten sollten, das Musterbild eines irdisch glücklichen, durch Gottesnähe seligen Volkes. Diese Berufung Abrahams ist ein hochwichtiges Ereignis in der Geschichte der Menschheit und der Anfang der Geschichte Israels.
4. Auch dem Sohn und Enkel Abrahams, Isaak und Jakob, offenbarte sich Gott und erneuerte mit ihnen den mit Abraham geschlossenen Bund und die ihm gegebenen Verheißungen. Als dann die Nachkommen Abrahams zu einem kleinen Stamm herangewachsen waren, führte sie Gott nach Ägypten in die Mitte des damals mächtigsten, aber tief in Götzendienst und rohe Sittenverderbnis versunkenen Volkes, damit sie dort erstarken und sich erproben sollten. Die in Ägypten zu einem großen Volke herangewachsene Familie Jakobs bewahrte unter dem härtesten Druck das Bewusstsein ihrer höheren Bestimmung und die Hoffnung auf die Abraham voraus verkündete Erlösung.
5. Als daher Gott sich Moses als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs offenbarte und ihm zum Befreier Israels bestellte, da nahm das Volk ihn gläubig auf und zeigte sich dadurch der Erlösung würdig und fähig, seine Sendung inmitten der Menschheit zu übernehmen. Die Wunder und Strafgerichte, durch welche die Ägypter gezwungen wurden, sich dem Willen Gottes zu fügen, sollten für die Zeitgenossen und Israel eine neue Offenbarung der Schöpfermacht und Weltregierung Gottes sein, indem sich dadurch deutlich zeigte, dass Gott die unabänderlich scheinenden Naturgesetze zu verändern vermöge und dass seinem Willen auch der Mächtigste nicht widerstehen könne. Das Wunder der Erlösung aus Ägypten ist so groß und bedeutungsvoll, dass die Tora die Verpflichtung Israels zur Befolgung der Gebote Gottes nicht auf die Weltschöpfung, sondern auf die Befreiung aus Ägypten stützt, als auf das Ereignis, durch welches Israel zum Träger der Offenbarung recht eigentlich erschaffen wurde.
Alles von Gott Verabscheute, was er hasst, haben sie (die Heiden) ihren Göttern zu Ehren getan; denn selbst ihre Söhne und Töchter verbrannten sie im Feuer für ihre Götter. 5.Mos. 12,31.
Also spricht Gott, der Gott Israels: Jenseits des Stromes wohnten eure Väter vor langer Zeit, Terach, der Vater Abrahams und Nachors, und dienten fremden Göttern; da nahm ich euren Stammvater, nämlich Abraham, vom jenseitigen Ufer hinweg… und machte seine Nachkommenschaft groß. Jos. 24. 2,3.
Abraham soll zum großen, mächtigen Volke werden, und durch ihn sollen alle Völker der Erde gesegnet werden; denn ich habe nur deshalb mein besonderes Augenmerk auf ihn gerichtet, damit er seine Kinder und sein Haus nach ihm verpflichte, dass sie den Weg Gottes hüten, Milde und Recht üben. 1. Mos. 18. 18,19.
Nur an deinen Stammvätern hatte Gott Gefallen, sie zu lieben, und erwählte ihre Nachkommen nach ihnen, euch nämlich, aus allen Völkern, wie es heute ist. 5. Mos. 10. 15.
Euch hat Gott an sich genommen, indem er euch aus dem Eisentiegel, aus Ägypten führte, dass ihr ihm als Erbvolk angehörig bleibt, wie es heute ist. %. Mos. 4. 20.
Mir sind die Söhne Israels Knechte; meine Knechte sind sie, weil ich sie herausgeführt aus dem Lande Ägypten. 3.Mos. 25. 55.
Die Offenbarung der Tora und der Bundesschluß am Sinai
1. Das größte Werk der Fürsorge Gottes für Israel und das Menschengeschlecht, das heilvollste Ereignis in der Geschichte der Menschheit ist die Offenbarung am Sinai. Gott offenbarte sich Israel unmittelbar. Es gefiel der Allweisheit Gottes nicht, einen an Israel zu senden, der da sprach: Das hat mir Gott geoffenbart, so dass Zweifel an der Wahrheit seiner Sendung bleiben konnten. Nein, sechshunderttausend reife, vollsinnige Männer, Moses ihr Anführer, nicht auf dem Berge, sondern in ihrer Mitte, vernahmen die Tora von Gott. Darin liegt die unantastbare Bürgschaft ihrer Wahrheit.
Auch nicht unfreiwillig und unvorbereitet empfing Israel die Tora. Gott ließ ihnen vorher die volle Tragweite der Verpflichtung ankündigen, die sie übernahmen, wenn sie den Bund der Väter jetzt durch Übernahme der Tora erneuerten; sie müssten ihm ganz angehören, ihm ein Reich von Priestern, ein heiliges Volk werden. Als das ganze Volk hierauf einmütig gelobt hatte, alles zu tun, was Gott gesprochen, gab ihnen Gott noch drei Tage zur Vorbereitung, dann erst verkündete ihnen Gott unter furchtbaren Erscheinungen folgende zehn Worte (die Zehngebote):
I. Ich H‘ sei Dein Gott, der ich dich aus dem Lande Ägypten herausgeführt, aus dem Sklavenhause. (Erklärung siehe 1,1.)
II. Du sollst keine anderen Götter anerkennen außer mir. Du sollst dir kein Bild machen, noch irgend eine Darstellung von dem, was im Himmel oben, oder auf der Erde unten, oder im Wasser unter der Erde ist; du sollst dich vor ihnen nicht bücken und sollst ihnen nicht dienen; denn ich, H‘ dein Gott, bin ein sein ausschließendes Recht fordernder Gott; ich gedenke der Sünde der Väter den Kindern ins dritte und ins vierte Geschlecht, denen die mich hassen; ich übe aber Liebe mit dem tausendsten Geschlecht mit denen, die mich lieben und meine Gebote halten. (Erklärung siehe 1, 3; 18‑20).
III. Du sollst den Namen Gottes, deines Gottes, nicht zum Vergeblichen aussprechen, denn Gott lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen zum Vergeblichen ausspricht. (Erklärung siehe 26‑29)
IV. Gedenke des Sabbattages, ihn zu heiligen. Sechs Tage arbeite und verrichte all dein Werk; der siebente Tag aber ist Sabbat Gott, deinem Gotte; da sollst du keinerlei Werk verrichten, weder du selbst, noch dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd, dein Vieh und dein Fremdling, der in deinen Toren ist. Denn in sechs Tagen hat Gott geschaffen den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was in ihnen ist, und er ruhte am siebenten Tage; darum segnete Gott den Sabbattag und heiligte ihn. (Erklärung siehe 54‑56.)
V. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit lange dauern deine Tage auf dem Boden, den Gott, dein Gott, dir gibt. (Erklärung siehe 74‑76.)
VI. Du sollst nicht morden.
VII. Du sollst nicht ehebrechen.
VIII. Du sollst nicht stehlen.
IX. Du sollst nicht aussagen wider deinen Nächsten als Lügenzeuge.
X. Du sollst nicht begehren das Haus deines Nächsten. Du sollst nicht begehren das Weib deines Nächsten, auch nicht seinen Knecht, seine Magd, seinen Ochsen, seinen Esel, noch irgendetwas, was deines Nächsten ist.
3. Durch die furchtbaren Erscheinungen, von welchen die Offenbarung der zehn Worte begleitet war, und weil Israel wahrgenommen, dass Gott sich Moses offenbarte, war das Volk zu der festen Überzeugung gekommen, dass Moses berufen sei, ihnen die Tora mitzuteilen. Sie gelobten darum freiwillig, allem, was Gott ihnen durch Moses mitteilen werde, ebenso zu gehorchen, wie dem, was sie von Gott unmittelbar gehört hatten. Darauf schloss Gott am Sinai mit Israel einen Bund, der, wie der Bund mit Abraham, auch alle künftigen Geschlechter umfaßt. Der Inhalt dieses Bundes ist: Israel wird an der Tora festhalten, Gott wird Israel seinen besonderen Schutz und Beistand verleihen, beides auf ewige Zeiten ‑ also die Ewigkeit Israels und der Tora.
4. Es gehört mit zu dem Inhalt des Gebotes, die Tora anzuerkennen (1,1), und folgt auch aus diesem Bundesverhältnisse, anzuerkennen, dass die Tora ewig unveränderlich ist, das weder ihr Wortlaut oder Inhalt je abgeändert, noch dass je eine andere Tora von Gott gegeben werden wird. Wir dürfen darum keine Lehre als Offenbarung anerkennen, die auch nur im Geringsten der Tora widerspricht.
5. Da der Bund am Sinai auch mit allen kommenden Geschlechtern abgeschlossen worden ist, so ist der Israelit schon durch seine Geburt von einer israelitischen Mutter Israelit und zur Erfüllung der Tora verpflichtet, ohne irgendeine Eintritts‑ oder Aufnahmeerklärung. Darum dürfen wir solchen Israeliten, die zu einem anderen Glauben übergetreten sind, zu keiner Handlung Anlass geben oder Beihilfe leisten, die in der Tora verboten ist.
Nicht im Verborgenen habe ich gesprochen, an einem Orte finsteren Landes; ich habe nicht zu den Nachkommen Jakobs gesagt: Suchet mich im Unklaren; ich, Gott, spreche Gerechtigkeit, verkünde Geradheit. Jes. 45,19.
Und nun, wenn ihr meine Stimme ernstlich hören und meinen Bund hüten wollt, so müsst ihr mehr als alle Völker mir ausschließlich angehören, denn mein ist die ganze Erde. Ihr aber sollt mir ein Reich von Priestern und ein heilig Volk sein! Moses kam, berief die Ältesten des Volkes und legte ihnen alle diese Worte vor, die ihm Gott aufgetragen hatte. Das ganze Volk antwortete einstimmig und sprach: Alles, was Gott gesprochen, wollen wir tun. 2. Mos. 19, 5‑8.
Du bist durch Sehen zum Wissen gebracht worden, dass Gott allein Gott ist, nichts sonst außer ihm. Vom Himmel hat er dich seine Stimme hören lassen, um dich in das Band seiner Zucht zu nehmen, und auf der Erde hat er dich sein großes Feuer sehen lassen, und seine Worte hast du gehört aus der Mitte des Feuers. 5.Mos. 4. 35,36.
Das ganze Volk nahm wahr die Stimmen, die Flammen, den Ruf des Schofars und den rauchenden Berg; das Volk sah und bebte und stand von ferne, und sie sprachen zu Moses; Rede du mit uns, wir wollen hören, möge aber Gott nicht mit uns sprechen, wir könnten sterben. 2.Mos. 20, 15.16.
Moses kam und erzählte dem Volke alle Worte Gottes und alle die Rechtsordnungen. Da antwortete das ganze Volk einstimmig und sprach: Alle die Worte, die Worte, die Gott gesprochen hat, wollen wir vollbringen. Darauf schrieb Moses alle die Worte Gottes nieder… und nahm das Buch des Bundes und las es dem Volke vor. Da sprachen sie: Alle, was Gott gesprochen hat, wollen wir vollbringen und hören. 2. Mos. 24, 3.4.7.
Gott, unser Gott, hat mit uns einen Bund geschlossen am Choreb. Nicht mit unseren Vätern hat Gott diesen Bund geschlossen, sondern mit uns, die wir hier heute am Leben sind. 5.Mos. 5, 2‑3.
Du hast heute Gott zu der Zusage veranlasst, dass er dir Gott sein werde, indem du wandeln wollest in seinen Wegen, hüten seine Gesetze, Gebote und Rechtsordnungen und gehorchen seiner Stimme. Und Gott hat dich heute zu der Zusage veranlasst, dass du ihm ein ihm ausschließlich angehöriges Volk sein werdest, wie er dir verheißen hat, und dass du hüten wollest alle seine Gebote, und dass er dich hochstellen wolle über alle Völker, die er geschaffen, zur Ruhmesverkündigung, zur Namensausbreitung und zur Verherrlichung, und dass du seiest ein heiliges Volk Gott, deinem Gotte, wie er es ausgesprochen. 5.Mos. 26, 17‑19.
Von jeher weiß ich von deinen Zeugnissen, dass du sie für ewig festgesetzt hast. Ps. 119,152.