Die Vorschriften über die Trauer

1. Die Tora gebietet, dass Kinder um Eltern, Eltern um Kinder, Geschwister um Geschwister, Ehegatten um Ehegatten je bei deren Ableben Trauer halten. Die Trauer besteht in der Beobachtung folgender Vorschriften, welche unsere Weisen s. A. als von jeher in Israel üblich, auf Grund vieler Stellen in der heiligen Schrift festgestellt haben.

2. Die Trauer zerfällt in vier Zeitabschnitte, für welche je besondere Vorschriften gelten.

a. Vom Augenblick des Todes bis zum Schluß des Grabes, oder wo die Leiche nach einem fernen Ort gebracht wird, bis der Trauerp­flichtige sich von der weiterbeförderten Leiche abgewandt hat, ist er Onen (Tieftrauernder). Während dieser Zeit hat er alle nachfolgenden Vorschriften (siehe b) zu beoachten, doch darf er sich beschuhen und ausgehen. Dagegen ist ihm der Genuß von Fleisch und Wein verboten, und er ist, außer an Sabbat‑ und Festtagen, von allen Geboten der Tora, wie Sch’malesen, Gebet, Tefillin u.s.f. frei. Das Anlegen der Tefillin unterbleibt auch am Begräbnistag nach der Beerdigung. Die erste Mahlzeit nach der Bestattung der Leiche darf der Trauernde nicht von seinem Eigen­tum genießen, sie wird ihm von Nachbarn oder Freunden bereitet und soll hauptsächlich aus Eiern (Sinnbild der Trauer ) bestehen. Diese Speisung der Trauernden gilt als fromme, wohltätige Handlung (Mitzwa). Nach der Beerdiung ist der Trauerpflichtige Awel (Trauernder).

b. Während der nächsten sieben (schewa) Tage nach der Beerdigung, der Begräbnistag eingerechnet, ist ihm verboten: Geschäftsbetrieb; Baden des ganzen Körpers selbst in kaltem, Waschen einzelner Körperteile in warmem Waser, es wäre denn zur Gesundheitspflege oder zur Reinigung erforderlich; Salben; Anlegen von Lederschuhen; Verlassen des Hauses; Sitzen auf Stühlen, Bänken Sofas u. dgl. (auf niederen Schemeln gestattet); jeder nicht unbedingt notwendige Verkehr unter Ehegatten; das Anlegen neuer oder schöner Kleider und frischer Wäsche; das Lesen von Tora­schriften außer Ijob, den Klageliedern Jirmijas, den traurigen Kapiteln in Jirmija und Trauervorschriften; das Grüßen und Erwidern des Grußes, wie überhaupt jedes unterhaltende Ge­spräch; außerdem  alles, was während des folgenden Abschnitts verboten ist. Doch sind diese Vorschriften am siebenten Trauertag nur noch in der Morgenstunde zu beobachten. Nach dem Morgengebet, wenn die Besucher weggegangen sind, schließt dieser zweite Ab­schnitt der Trauerzeit.

c. Der dritte Abschnitt der Trauerzeit beginnt mit dem Ende des zweiten und dauert bis zum dreißigsten Tag nach der Beerdigung (Scheloschim). Während dieser Zeit ist dem Trauerpflichtigen verboten, sich Bart und Haupthaar abzunehmen; Waschen oder Wäsche zum Waschen zu übergeben, außer für Kinder; im Haus zu scheuern mehr als Gesundheit und Reinlichkeit erfordern; Teilname an Freudenfesten und Hochzeit halten.

d. Kinder sind für ihre Eltern zu einer Trauer von zwölf Monaten verpflichtet. Sie dürfen auch nach Verlauf der dreißg Tage  (c) den Bart nicht so oft als gewöhnlich abnehmen und sich an keinem Freudenfest beteiligen.

Jeder Trauernde muß in der Synagoge seinen Platz ändern und da, wo das üblich ist, sich in einen Tallit hüllen.

3. Ein Abweichen von diesen Vorschriften ist in folgenden Fällen zulässig oder geboten: Wer nicht zu leben hat, darf vom dritten Tag an Arbeit um Lohn verrichten, jedoch nur verborgen in seinem Haus, aber schwerer Tadel trifft seine Ortsnachbarn, die ihn nicht unterstützten, dass er von solcher Not verschont blieb. ‑ Am Sabbat und an Festtagen muß jede äußerliche Trauerübung unter­bleiben, nur auf verborgene Handlungen sich beziehende Trauervor­schriften gelten für diese Tage.‑ Jede vor einem Fest begonnene Trauer wird durch den Eintritt des Festes entweder ganz aufgeho­ben oder in den nächst milderen Grad verwandelt. Über die einzel­nen Fälle hierüber ist ein Torakundiger zu befragen. ‑ Wenn am Fest selbst, auch am Halbfest, eine Beerdigung stattfdindet, so beginnt die Trauer erst nach dem Fest; es wird jedoch der letze Festtag in die sieben Trauertage mit eingerechnet. ‑ Ein Trauern­der, der außerhalb des Hauses wohnt, in  dem während der sieben Tage die Gebetsver­sammlungen gehalten werden ( 107, 12), darf dahin gehen und zurückkehren. ‑ Der Trauernde darf während der sieben Trauertage an folgenden Tagen die Synagoge besuchen: Am Sabbat zu jeder Gebetszeit, am Purim und neunten Aw am Vorabend und Morgen, an den Rüsttagen zum Neujahr und Versöhnungstag morgens zu den Bußgebeten (Slichot).

4. Jeder Trauerpflichtige muß außerdem als Ausdruck und Zeichen der Trauer um Eltrn alle Kleidungstücke, die er am Leibe trägt, um andere Verwandte sein oberstes Kleidungsstück zerreißen (Keria). Der Riß wird für die Eltern auf der linken, für andere Verwandte auf der rechten Seite, oben am Hals, stehend, wenn tunlich bei dem noch offenen Sarg, vom Trauernden selbst eingerissen. Er muß handbreit sein. Während des Reißens spricht der Trauernde die Benediktion Din emet 16,3). Bei der Trauer um Verwandte darf der Riß nach sieben Tagen zusammengeheftet und nach dreißig Tagen zugenäht, um Eltern aber nach dreißig Tagen geheftet und nie zugenäht werden.

5. Wer die Nachricht vom Ableben eines Angehörigen innerhalb der esten dreißig Tage erhält, für den gilt der Tag der Benachrichtigung gleich dem Beerdigungstag, und er hat vom Tag der Nachricht an alle Trauervorschriften der sieben Tage, der dreißig Tage und der zwölf Monate zu halten, letztere jedoch vom Todestag an gerechnet, außerdem die Kleider zu zerreißen. Erhält er die Nachricht nach Ablauf der dreißig Tage, so hat er für alle Verwandte außer Eltern nicht mehr zu tun, als auf kurze Zeit die Schuhe abzulegen, für die Eltern jedoch auch die zwölfmonatliche Trauer bis zum Ende des Todesjahres zu halten und beim Empfang der Nachricht die Kleider zu zerreißen. Zum Zerreißen der Kleider und Ablegen der Schuhe auf kurze Zeit sind Kinder auch dann verpflichtet, wenn sie die Nachricht vom Tod des Vaters oder der Mutter nach Jahr und Tag erhalten.

6. Söhne sind verpflichtet, im Trauerjahr um ihre Eltern elf Monate lang in öffentlichen Gebetsversammlungen das Gebet Kadisch vorzutragen. Durch das Sprechen dieses erhabenen Lobgebetes bezeugen sie zur Ehre und zum Seelenhei ihrer Eltern, dass sie von diesen zum jüdischen Glauben und zum Leben nach den Vorschriften der Tora erzogen worden sind. Auch alljährlich am Todesjahrtag (Jahrzeit) der Eltern sind sie zum Vortrag dieses Gebetes, sowie (auch Töchter) zum Fasten verpflichtet. es ist auch üblich, ein Licht am Jahrzeitstag der Eltern brennen zu lassen.

7. Diese Trauervorschriften sollen einerseits verhindern, dass der Israelit beim Tode der Seinigen gleichgültig und gefühllos bleibt, andererseits aber sollen sie den Äußerungen des gerechten Schmerzes gesetzliche Schranken setzen; denn beides ist Sünde, die hartherzige Gleichgültigkeit, wie das Übermaß der Trauer. Letzteres namentlich ist gegen die Ergebung in den Willen Gottes, zu der wir verpflichtet sind, und erscheint wie Auflehung gegen die Fügung des Allgütigen. Darum sollen wir uns auf das gebotene Maß der Traueräußerungen beschränken und nicht unjüdi­sche Trauergebräuche nachahmen. Ausdrücklich verbietet die Tora, uns bei Todesfällen nach Sitte der Heidesn selbst zu verwunden (), oder durch Ausraufen der Haare oder auf andere Weise eine Glatze am Kopf zu machen.

Kinder seid ihr Gott, eurem Gott; verwundet euch nicht und machet euch keine Glatze zwischen euren Augen wegen eines Toten; denn ein heiliges Volk bist du Gott, deinem Gott, und dich hat Gott erwählt, ein ihm ausschließlich angehöriges Volk zu werden unter den Völkern, welche auf der Erde sind. 5. Mos. 14, 1.2.

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