Die Vorschriften der Elternverehrung

1. Durch zwei Gebote drückt die Tora das aus, was wir unseren Eltern schulden: 1. Wertschätzung (kawod) und 2. Ehrfurcht  ( ). Diese Gebote fordern von uns, in unseren Eltern nach Gott die für uns höchsten Wesen auf Erden anzuerkennen, sie demgemäß über alles zu lieben und zu verehren und diese Gesinnung stets durch Wort und Tag zum Ausdruck zu bringen.

2. Daraus folgt zunächst, dass wir den Eltern unbedingt Gehorsam leisten müssen, ihren Worten nie Widerspruch, ihren Handlungen nie Murren oder Tadel entgegensetzen dürfen. Unsere Weisen s.A. sagen hierüber beispielsweise: Wenn der Vater (oder die Mutter) im Beisein des Kindes einen mit Gold gefüllten Beutel ins Meer wirft, darf das Kind ihm keine Vorwürfe machen, keinen Schmerz in seiner Gegenwart äußern, geschweige denn zürnen. Wenn der Sohn in Ehrenkleidern an der Spitze der Ratsversammlung seiner Gemeinde säße und Vater und Mutter rissen ihm die Kleider vom Leibe und schlügen ihm ins Angesicht, so müßte der Sohn schweigen und eine solche Handlungsweise der Eltern wie ein von Gott verhängtes Schicksal hinnehmen.

3. Wenn Kinder von Vater oder Mutter bei Lebzeiten oder nach dem Tode sprechen, so muß es in Ausdrücken der höchsten Verehrung geschehen. ‑ Ohne Erlaubnis der Eltern dürfen Kinder in deren Gegenwart oder Angelegenheiten nichts sprechen; auch müssen Kinder sich aus allen Kräften bemühen, den Worten ihrer Eltern Achtung und Anerkennung zu verschaffen. ‑ Kinder dürfen sich nie an den Platz stellen oder setzen, wo die Eltern zu sitzen oder zu stehen pflegen.

4. Kinder sind schuldig, für ihre Eltern alle möglichen Opfer an Geld und persönlichen Leistungen zu bringen; sie müssen, wenn die Eltern es wünschen oder bedürfen, ihnen zu essen und zu trinken geben, sie an‑ und auskleiden, sie aus‑ und einführen u. dgl. Zu allen derartigen Hilfeleistungen sind sie ganz besonders ver­pflichtet, wenn die Eltrn im Alter schwach an Körper‑ oder Gei­steskräften geworden sind. Die Pflicht, die Eltern durch persön­liche Dienstleistung zu ehren, geht soweit, dass wir davon nicht entbunden sind, wenn wir durch die Zeitversäumnis in die Lage kämen, am folgenden Tag unser Brot betteln zu müssen. ‑ Verheira­tete Töchter jedoch müssen sich in bezug auf Geld‑ und persönli­che Leistungen für ihre Eltern nach dem Willen ihres Ehemannes richten.

5. Nur in einem Fall sind die Kinder verpflichtet, den Willen der Eltern unbefolgt zu lassen, nämlich, wenn diese von ihnen verlan­gen, ein Gebot der mündlichen oder schriftlichen Tora zu übertre­ten. Aber auch in diesem Fall, oder wenn die Eltern selbst von Gottes Wegen abweichen, dürfen die Kinder sie nicht in harten Worten ab‑ oder zurechtweisen, sondern nur sagen: Vater, Mutter! so und so gebietet die Tora. Denn auch sündhafte Eltern dürfen Kinder Wertschätzung und Ehrfurcht nicht versagen.

6. Drei Vergehungen gegen die Eltern bedroht die Tora mit Todes­strafe durch das Gericht: Wer seinen Eltrn, sei es bei ihrem Leben oder nach ihrem Tode, flucht, wer sie schlägt und verwun­det, und wer sie (unter gewissen Umständen) bestiehlt und das Gestohlene verpraßt. Die Todesstrafe kann jetzt nicht vollzogen werden; aus der Bedrohung erkennen wir aber, welch schwere Sünden das sind. Wegen der Gefahr der Verwundung ist es verboten, an Eltern wundärztliche Verrichtungen vorzunehmen, wenn diese durch einen andern vorgenommen werden können. ‑ Wer seine Eltern verach­tet, auch nur geringschätzig von ihnen spricht, über den spricht die Tora (5.Mos. 27,16) den Fluch aus: Verflucht sei, wer Vater oder Mutter geringschätzt.

7. Nach der mündlichen Überlieferung schließt das Gebot der Elternverehrung auch die Verehrung der Großeltern, Schwiegerel­tern, Stiefeltern und des ältesten Bruders mit ein. ‑ Da es Eltern sicher großen Kummer bereitet, wenn ihre Kinder nicht in Frieden beisammen leben (Joseph), so ist Geschwisterliebe als eine Forderung der Elternverehrung zu betrachten.

8. Die Wertschätzung oder Verehrung der Eltern muß deren Grab überdauern. Auch nach ihrem Tode müssen wir den Willen der Eltern befolgen, dürfen ihrer nur mit Ausdrücken der Hochachtung erwäh­nen und nie ohne ihr Andenken zu segen (   ). Insbesondere aber sind wir verpflichtet, für sie die vorschriftsmäßige Trauer zu halten und das Gebet Kadisch zu sprechen.

Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie dir Gott, dein Gott, geboten, damit deine Tage lange dauern, und damit es dir gut ergehe auf dem Boden, den Gott, dein Gott, dir gibt. 5.Mos. 5,16.

Ehrfürchtet jeder seine Mutter und seinen Vater; aber meine Sabb­bate beobachtet, ich bin Gott, euer Gott. 3. Mos. 19,3.

Wer Vater oder Mutter schlägt, soll getötet werden. Und wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll getötet werden. 2. Mos. 21, 15, 17.

Wenn ein Mann einen Sohn hat, der ungehorsam und widerspenstig ist, er hört nicht auf die Stimme seines Vaters und auf die Stimme seiner Mutter, sie züchtigen ihn, und er gehorcht ihnen dennoch nicht: so ergreifen ihn sein Vater und seine Mutter und führen ihn hinaus zu den Ältesten seiner Stadt und zum Tor seines Ortes, und sprechen zu den Ältesten seiner Stadt: Dieser unser Sohn ist ungehorsam und widerspenstig, er hört nicht auf unsere Stimme, er ist ein Schlemmer und ein Säufer. Und es steinigen ihn alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe, und du räumst hinweg das Böse aus deiner Mitte. Ganz Israel aber höre es und fürchte sich. 5. Mose 21, 18‑21.

Wer Vater und Mutter bestiehlt und spricht, es sei kein Verbre­chen, der wird bald Räubergenosse. Spr.Sal. 28,24.

Gehorche deinem Vater, er hat dich gezeugt, und verachte deine Mutter nicht, wenn sie alt wird. Spr.Sal. 23, 32.

Ein Auge, das den Vater verlacht und der Runzeln der Mutter spottet, das müssen die Raben des Tales aushacken und die jungen Adler fressen. Spr.Sal. 30, 17.

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