1. Das Recht ist Gottes; der Gerechtigkeit strebe nach, sagt uns die Tora; ein Gott des Rechtes ist Gott, verkündet der Prophet; auf Gerechtigkeit beruht die Welt; jeder Richter, der durch sein Urteil das wahre Recht zur Geltung bringt, ist gleichsam Teilhaber Gottes am Schöpfungswerke, lehren unsere Weisen s.A.
Darum gebot Gott schon den Noachiden (81,2 i,7), eine Rechtspflege herzustellen, und darum gab er Israel in der Tora eine ausführliche Rechtgesetzgebung. Diese ist zwar für uns in der Zerstreuung größtenteils unausführbar; dennoch ist es gut, sie kennen zu lernen, teils weil wir daraus den Geist des Rechtes erkennen, der in der Tora waltet, teils weil dasjenige davon, was mit den Gesetzen der verschiedenen Länder übereinstimmt, uns auch im Gewissen verpflichtet, teils aber auch, weil manche Vorschriften über ausschließlich jüdische Angelegenheiten auch heute noch angewendet werden.
2. Die Tora gebietet, allenthalben Richter einzusetzen, die jederzeit bereit sind, das Recht zu handhaben. Es ist verboten, hierzu Männer zu berufen, die nicht in der Tora gründlich erfahren sind. Sie sollen durch Weisheit, Demut, Gottesfurcht, Uneingennützigkeit und Wahrheitsliebe sich auszeichnen, die Liebe ihrer Mitmenschen und einen guten Ruf besitzen. Ganz besonders wird von ihnen eine unbeugsame Festigkeit des Willens gefordert und ihnen jede Menschenfurcht verboten.
3. Der Richter darf das Recht nicht beugen, d.h. er darf dem Ungerechten nicht Recht, dem Gerechten nicht Unrecht geben, oder zur Kränkung einer der Parteien die Rechtsprechung auch nur verschieben; er darf die Person nicht ansehen, den Reichen und Vornehmen nicht freundlicher empfangen und grüßen als den Armen und Geringen, muß vielmehr die Parteien vollkommen gleich behandeln, darf nicht den einen sitzen und den andern stehen lassen, dem einen Zeit zum Sprechen lassen, dem anderen sie versagen; er darf, um nicht voreingenommen zu werden, den einen nicht in Abwesenheit des anderen hören. Er darf dem Armen nicht aus Barmherzigkeit Recht geben, wenn er im Unrecht ist, noch dem Sünder Unrecht in einem Falle, wo er im Recht ist. Der Richter darf keine Geschenke (Bestechung) annehmen, selbst wenn sie ihm gegeben werden sollten, um gerecht zu richten; auch durch Worte darf er sich nicht bestechen lassen. Das aus mehreren Richtern zusammengesetzte Gericht entscheidet nach Stimmenmehrheit; es ist aber jedem einzelnen Richter dabei verboten, seine oder seiner Genossen Abstimmung zu verraten, und geboten, seine Überzeugung auch gegenüber der Mehrheit auszudrücken.
Richter und Vollzugsbeamte sollst du dir einsetzen in allen deinen Toren, die Gott, dein Gott, dir gibt für deine Stämme, dass sie das Volk richten nach gerechtem Urteil. 5. Mose. 16,18.
Ersehe aus dem ganzen Volke tüchtige Männer, gottesfürchtige, Männer der Wahrheit, die den Eigennutz hassen … sie sollen das Volk richten zu jeder Zeit… 2. Mos. 18, 21‑22‑
Ich gebot euren Richtern zu jener Zeit und sprach: Höret eure Brüder untereinander und entscheidet gerecht zwischen einem Manne und seinem Bruder und dem Fremdling. Achtet auf keine Person im Gericht, den Geringen wie den Vornehmen höret, fürchtet euch vor niemandem; Wer den Schuldigen freispricht und den Gerechten verurteilt ‑ ein Greuel Gottes sind sie beide. Geschenke nimmt der Frevler aus der Tasche, um die Pfade des Rechtes zu krümmen. Spr.Sal. 17. 15, 23.