1. Aus dem vorangehenden Abschnitt erkennen wir, dass es für den Zweck unserer Heiligung keineswegs genügt, wenn wir unseren Leib nach Toravorschriften erhalten, pflegen, nähren und der sündhaften Tat uns enthalten. Die Tora fordert auch, fordert ganz besonders, die Läuterung und Heiligung unseres Innern, unseres Denkens, Fühlens und Wollens.
2. An der Grenzscheide zwischen Leib und Geist stehen die Sinne, stehen insbesondere die Augen, als die Wege, durch welche die Aussenwelt in unseren Geist einzieht. Dass wir diese Wege sorgfältig bewachen, damit kein Bild in unsere Seele gelange, das zur Sünde lockt ‑ das ist der Anfang unserer inneren Heiligung. Die erste Sünde begann damit, dass Eva den Baum mit den verbotenen Früchten anschaute; der Fluch des Vaters traf Cham, weil er seine Augen nicht beherrschte; Schem und Japhet erhielten den Segen, weil sie ihre Augen zügelten; darum spricht die Tora: Kundschaftet nicht nach euren Herzen und nach euren Augen.
3. Nach der Überlieferung unserer Weisen s.A. verbieten uns diese Wort, den eigenen oder eines anderen unverhüllten Köprer, noch sonst irgend etwas anzuschauen, was niedrige oder gar sündhafte Gedanken in uns erwecken könnte.‑ Die Kunst wird leider oft mißbraucht, in Bildern oder Schauspielen Dinge darzustellen, die darauf berechnet sind, die Einbildungskraft aufzuregen und sündhafte Wünsche zu wecken. Der Anblick solcher Darstelllungen ist der Reinheit unseres Herzens höchst gefährlich, darum ist auch er uns verboten. ‑ Aber nicht bloß das Niedrige, auch das Schöne kann uns gefährlich werden, wenn sein Besitz uns verboten ist; darum dürfen wir nicht durch dessen Anblick den Wunsch danach in uns erwecken. Wr seine Augen bewacht, bewacht sein Herz.
4. Die Tora nennt (2. Mos. 10,15) auch das Hören ein Sehen, und das Ohr ist ein zweiter Weg, durch welchen die Sünde in unsere Seele einziehen kann. Darum ist uns das Anhören der Unterhaltung roher Menschen, das Anhören sündhafter oder zur Sünde reizender Worte und Gesänge nicht minder verboten, als der Anblick sündhafter Darstellung.
5. Das Lesen ist ein Hören vermittels der Augen. am besten ist es, die Schriften der Tora zu lesen und solche, die darauf Bezug haben. Wollen wir zur Erholung anderes lesen, so sollen wir nur solche Bücher wählen, die uns mit nützlichen Kenntnissen bereichern. Unter den Büchern aber, die zur Unterhaltung, zur Vertreibung der ohnehin flüchtigen Zeit geschrieben sind, gibt es gar viele, die geeignet sind, sündhafte Wünsche in uns hervorzurufen; es ist veboten, solche zu lesen, weshalb wir bei der Wahl dessen, was wir lesen, zur größten Vorsicht verpflichtet sind.
Wende meine Augen ab vom Anblick des Eiteln, auf deinen Wegen laß mich Leben finden. Ps. 119,37.
Einen Bund habe ich errichtet meinen Augen; warum sollt ich auf Jungfrauen achten. Ijob 31,1.
Grab und Hölle werden nimmer satt, so auch die Augen des Menschen werden nimmer satt. Spr. Sal. 27,20.
Wer sein Ohr verstopft, dass es nicht Blutschuld anhöre, wer seine Augen schließt, dass sie nichts Böses anschauen, der wohnt auf Höhen, Felsenburgen sind sein Schutz. Jes. 33, 15.16