Speisevorschriften

1. Wir kennen den wunderbaren Zusammenhang zwischen unserem Leibe und unserer Seele nicht; wir wissen aber nicht nur, dass der Leib das Werkzeug ist, durch welches die Seele nach außen wirkt, sondern auch, dass die Beschaffenheit des Leibes auch auf die Vorgänge in der Seele Einfluß übt, wie denn z.B. bei gewissen Krankheiten des Leibes die Seelentätigkeit eine Richtung annimmt, welche sie vor der Erkrankung nicht hatte und nach der Heilung nicht mehr hat.

2. Da nun die Beschaffenheit des Leibes sehr wesentlich von den Nahrungsmitteln abhängt, durch welche er erhalten wird und sich fortwährend neu aufbaut, so können wir wohl sagen, dass die Nah­rungsmittel auch mittelbar auf die Seelentätigkeit einwirken. Bei einzelnen Genußgegenständen, wie z.B. den berauschenden Getränken, kennt auch der Einfältigste diese Einwirkung; von den meisten kennen wir sie nicht, aber der allwissende Schöpfer aller Dinge kennt sie.

3. Darum bezieht sich ein großer Teil der Vorschriften der Tora auf den Nahrungsgenuß. Im allgemeinen ist Schlemmerei und Völlerei verpönt. Unsere Weisen s.A. lehren: Der Mensch esse oder trinke nie, ohne dass er hungrig oder durstig ist, sei kein Vielesser, genieße nur der Gesundheit zuträgliche Speisen, davon aber nicht im Übermaß, trachte nicht, sich zu überfüllen und halte es nicht mit denen, die da sprechen: Lasset uns essen und trinken, denn morgen könnten wir sterben. ‑ Das wenige, was jeder

zum Leben nötig hat, genieße er bei seiner Familie am eigenen Tisch und speise nicht ohne höchste Not in Gasthäusern. Wein trinke er nur, wenn es seine Verdauung erfordert; wer sich berauscht, ist ein Sünder, macht sich verächtlich und schadet seinen Geistesanlagen.

4. Doch beziehen sich die Vorschriften der Tora über den Nah­rungsgenuß hauptsächlich auf die Stoffe, die uns zum Genusse verboten sind Diese Vorschriften gehören in die Klasse der ( ); denn der letzte Grund und die Art, warum und wie die in den nächstfolgenden Abschnitten aufgezählten verbotenen Stoffe nachteilig auf die Seele wirken, ist nur Gott, dem Schöpfer und Gesetzgeber bekannt. Dass sie aber nachteilig wirken, das hat er uns in der Tora deutlich geoffenbart.

5. Die Tora sagt uns nämlich: Die uns zum Genusse verbotenen Speisen erzeugen in uns Verabscheuungswürdigkeit ( ), d.h. sie schwächen die Widerstandskraft unseres Willens gegen die Macht der Sinnlichkeit derart, dass wir dieser zuletzt einsichtslos und kampfunfähig ( ) verfallen; dagegen fördert die Enthaltung von diesen Speisen unser Streben nach Heiligung und führt uns zu jenem Grad von Heiligkeit (Keduscha), um deretwillen uns Gott aus dem Pfuhl der Lasterhaftigkeit, aus Ägypten, geführt, dass wir ihm ein Reich von Priestern, ein heilig Volk würden. (Hirsch zu 3. Mos. 11, 43 und 44).

Der Gerechte isset zu seiner Sättigung, der Bauch der Frevler hat nimmer genug. Spr. Sal. 13,25.

Höre du, mein Sohn, und sei weise und lenke gerade auf den rech­ten Weg dein Herz. Sei nicht bei den Weinsäufern, bei denen, die sich im Übermaße mit Fleisch anessen. Spr. Sal. 23, 19.20.

Wehe denen, die morgens früh aufstehen, Berauschendem nachzujagen, die abends spät noch weilen, dass der Wein sie durchglühe. Da ist Zither und Harfe, Pauke und Flöte bei ihren Gelagen, aber auf das Wirken Gottes blicken sie nicht, und seiner Hände Werk sehen sie nicht. Jes. 5, 11.12.

Machet eure Seele nicht zum Abscheu durch alles Kriechtier, das kriecht, macht euch durch sie nicht unrein, ihr würdet durch sie völlig untergehen. Denn ich bin Gott, euer Gott, darum heiligt euch, so werdet ihr heilig werden, denn ich bin heilig, und machet eure Seelen nicht unrein durch alles Kriechtier, das auf der Erde schreitet. Denn ich, Gott, bin es, der euch aud dem Lande Ägypten emporgeführt, euch Gott zu sein: so seiet den heilig, denn heilig bin ich. 3. Mos. 11, 43‑45.

Die zum Genusse verbotenen Tiergattungen

a. Säugetiere

1. Von den Säugetieren sind uns nur diejenigen zum Genuß erlaubt, welche 1. wiederkauen und 2. ganz durchgespaltene Hufe haben, alle anderen sind uns verboten. Haben sie nur eines dieser Merkmale, wie das Schwein, das zwar gespaltene Hufe hat, aber nicht wiederkaut, oder das Kamel, das wiederkaut, aber keine ganz durchgespaltenen Hufe hat, so sind sie verboten. (3. Mos. 11, 2‑8; 5. Mos. 14, 3‑8).

b. Vögel

2. Von den uns zum Genuß erlaubten Vögeln hat uns die Tora keine Merkmale angegeben, sondern nur 24 Gattungen als verboten aufge­zählt; alle übrigen sind uns zum Genuß erlaubt. Da wir jedoch die Gattungen, welche mit den in der Tora genannten Namen bezeichnet werden, nicht kennen, so dürfen wir nur solche Vögel genießen, von welchen im Ort die allgemein bekannte, vollkommen zuverlässi­ge Überlieferung besteht, dass sie genossen werden dürfen; alle übrigen sind verboten. Nimmt jedoch ein Vogel seine Nahrung nach Art der Raubvögel ein, so ist er verboten, selbst wenn eine vorhandene Überlieferung ihn als erlaubt erklärt. Die Überliefe­rung ist in diesem Falle irrig. (3.Mos. 11, 13‑19; 5.Mos. 14, 11‑18).

c. Fische

3. Von den Wassertieren und Fischen sind uns nur diejenigen zum Genuß erlaubt, welche Flossen und Schuppen haben; alle anderen sind uns verboten. Die Schuppen müssen jedoch mit der Hand oder einem Messer von der Haut abschälbar sein; ist das nicht der Fall, so ist der Fisch verboten. (3. Mos. 11, 9‑12; 5. Mos. 14, 9.10).

d. Amphibien, Insekten, Würmer

4. Alle Amphibien, Insekten und Würmer sind im allgemeinen verbo­ten. Die von der Tora erlaubten, bei uns ohnehin nicht vorkommen­den Heuschreckenarten sind uns darum verboten, weil wir, wie bei den Vögeln, die Arten nicht kennen, welche durch die in der Tora genannten Namen bezeichnet werden. Einige, teilweise schwer festzustellende (erlaubte) Ausnahmen von der Allgemeinheit dieses Verbotes können um so mehr unerwähnt bleiben, da dieselben aus einem andern Grund, nämlich als ekelerregend und darum gesund­heitsgefährlich, vielfach als verboten betrachtet werden dürften. (3. Mos. 11, 10‑. 20‑23).

5. Das Verbot der zuletzt aufgeführten drei Tierklassen, welche die Tora mit dem Namen ( ) oder ( ), Kriechtiere bezeichnet, ist in der Tora durch mehrfache Wiederholung eingeschärft. Deshalb, und weil diese Tierchen wegen ihrer Winzigkeit leicht unserer Beachtung entgehen, müssen wir wegen ihres Genusses mit andern Speisen besonders auf unserer Hut sein. Es ist darum folgendes wohl zu beachten.

a. Alle Früchte, von welchen man weiß oder vermuten kann, dass in ihnen, bevor sie gepflückt werden, Würmer entstehen, wie Kir­schen, Pflaumen, Zwetschen, Erbsen u.dgl., müssen, und zwar jede Frucht einzeln, untersucht werden, und sind die Früchte, worin sich Würmer befinden, zum Genusse verboten, wenn diese nicht wie bei Äpfeln und Birnen entfernt werden können.

b. auch Kräuter, wie Salat, Kohl u.ä., an und zwischen deren Blättern sich Würmer, Raupen u.dgl. zu befinden pflegen, müssen untersucht und von den Kriechtieren gründlich gesäubert wrden.

c. alle Genußgegenstände, an welchen Milben vorkommen können, wie z.B. getrocknete Früchte, Reis, Hirse, Graupen u.dgl., müssen untersucht werden, und sind, wenn Milben daran gefunden werden, zum Genuß verboten.

6. alles, was von verbotenen Tieren herrührt, z.B. Milch, Eier, Rogen und Milcher von Fischen, ist ebenfalls verboten. Wir dürfen darum keine Milch genießen, von welcher nicht ein Israelit durch Augenschein die Gewißheit erlangt hat, dass sie von erlaubten Tieren gewonnen wurde und ihr keine von verbotenen Tieren beigemischt worden ist. Butter, von welcher man mit Bestimmtheit weiß, dass sie nur aus Milch bereitet wurde, ist ohne diese Vorsicht erlaubt, weil die Milch der verbotenen Tiere zu solcher nicht vewendet werden kann. (Jedoch ist zu beachten, dass heute Butter sehr häufgi mit unerlaubten Stoffen vermischt wird.) ‑ Ebenso dürfen wir keine Eier genießen, welche wir nicht als von erlaubten Vögel herrührend kennen. ‑ Vor den im Handel vorkommenden Präparaten aus Rogen und Milcher von Fischen ist zu warnen. ‑ Bienenhonig ist erlaubt.

Dieses ist die Lehre über das Vieh und das Geflügel und jedes lebende Wesen, das sich im Wasser bewegt, und jedes Wesen, das auf der Erde kriecht, zu unterscheiden zwischen dem Unreinen und Reinen und zwischen dem Lebendigen, das gegessen wird, und dem Lebendigen, das nicht gegessen werden darf. 3.Mos. 11, 47.47.

Schreibe einen Kommentar