1. Aus dem Gebot, in Gottes Wegen zu wandeln, folgt schon und folgern unsere Weisen s.A., dass wir bestrebt sein müssen, heilig zu werden, weil Gott heilig ist. Dieses Streben nach Heiligkeit wird uns aber außerdem in der Tora noch ausdrücklich geboten und vielfach eingeschärft.
2. Heilig im Sinne der Tora ist derjenige, der die Fertigkeit erlangt hat, den uns geoffenbarten Willen Gottes mit kampfloser Bereitwilligkeit und derselben Freudigkeit zu vollziehen, als ob es der eigene Wille wäre.
3. Diese Heiligkeit, dieses volle Aufgehen des eigenen Willens in dem Willen Gottes ist ein erhabenes Ziel, das nur wenige in seiner ganzen Höhe erreicht haben und je erreichen werden. Das Gebot der Heiligung bezieht sich darum zunächst auf das Streben nach dieser Heiligkeit. Dieses Streben ist jedoch jedem möglich; es besteht in fortgesetzter Selbstbewachung und Selbstbearbeitung, in unausgesetzem Kampf gegen das Niedrige und Gemeine, Sinnliche und Tierische, das in unserem Denken, Fühlen und Wollen auftaucht. Jeder Sieg in diesem Kampf heiligt uns, hebt uns auf eine höhere Stufe der Heiligkeit. Die Erfüllung der Vorschriften der Tora ist die sicherste Leiter, auf welcher wir zu immer höheren Stufen der Heiligkeit uns emporzuschwingen vermögen.
4. Zunächst ist es die Erfüllung der Gebote ( ) der Tora, welche eine veredelnde, heiligende Kraft auf uns ausübt; darum danken wir Gott vor der Ausübung dieser Gebote in den vorgeschriebenen Benediktionen, dass er uns geheiligt durch seine Gebote (ascher kidschanu bemizwotav) (44, 6 e). Von ganz besonders heiligendem Einfluß auf uns ist die pünktliche und gewissenhafte Beobachtung aller Verbote ( ) der Tora. Durch sie werden wir bei jedem Gedanken und Gefühl, bei jedem Wort und jeder Handlung veranlaßt, uns zu fragen: Dürfen wir nach dem Willen Gottes so denken oder fühlen, so sprechen oder handeln? Namentlich üben solch heiligende Wirkung jene Vorschriften der Tora auf uns aus, von welchen wir keinen anderen Grund kennen, als den Willen Gottes, der sie uns erteilt hat ( ). Viele dieser Vorschriften, insbesondere diejenigen, von welchen uns die Tora ausdrücklich sagt, dass sie unsere Heiligung zum Zweck haben, werden in dieser Abteilung dargestellt werden.
5. Doch genügen wir dem Gebote der Heiligung noch nicht, wenn wir nur diese Vorschriften befolgen; die Tora gebietet vielmehr, dass wir uns auch üben, auf dem Gebiete des uns Erlaubten mäßig und enthaltsam zu sein. ( ). Denn nur der wird kampflos und freudig allem Verbotenen entsagen, der im Entbehren des Erlaubten sich geübt hat. Enthaltsamkeit ( ) wird von unseren Weisen s.A. als die Vorstufe der Heiligkeit bezeichnet. Hirsch 3. Mos. 11, 44 und 19,2.
Damit ihr eingedenk seid und erfüllet alle meine Gebote und heilig werdet eurem Gott. 4. Mos. 15,40.
Denn ich, Gott, bin euer Gott, darum heiligt euch, so werdet ihr heilig werden, denn heilig bin ich. 3. Mos. 11, 44.
Gott sprach zu Moses: Sprich zu der ganzen Gemeinde der Söhne Israels und sage ihnen: Heilig sollt ihr sein; denn heilig bin ich, Gott, euer Gott. 3. Mos. 19,2.
Unterscheidet zwischen dem reinen Vieh und dem unreinen und zwischen dem unreinen Geflügel und dem reinen, und machet eure Seelen nicht zum Abscheu durch Vieh und Vögel und alles, was auf dem Erdboden kriecht, das ich ausscheidend für unrein erklärte, so werdet ihr mir heilig werden, denn heilig bin ich, Gott. 3. Mos. 20, 25.26.